Mercedes-Benz W 110

Mercedes-Benz W 110
Mercedes-Benz
Mercedes-Benz W110 front 20080703.jpg
W 110
Hersteller: Daimler-Benz
Produktionszeitraum: 1961–1968
Klasse: Obere Mittelklasse
Karosserieversionen: Limousine, Limousine langer Radstand
Motoren: Ottomotoren:
1,9–2,3 Liter
(80−120 PS)
Dieselmotoren:
2,0 Liter
(55 PS)
Länge: Limousine: 4680 mm
Limousine langer Radstand:
5330 mm
Breite: Limousine:
1770 mm
Höhe: Limousine:
1440 mm
Radstand: Limousine:
2700 mm
Leergewicht: Limousine:
ab 1335 kg
Vorgängermodell: Mercedes-Benz W 120/W 121
Nachfolgemodell: Mercedes-Benz W 114/W 115

Der W 110 war ein Pkw der Marke Mercedes-Benz. Fahrzeuge dieses Typs wurden von 1961 bis 1968 hergestellt, sie gehörten der oberen Mittelklasse an und ersetzten die „Ponton-Reihe“ W 120/W 121.

Inhaltsverzeichnis

Erkennungsmerkmal des W 110 sind, wie auch die der verwandten Baureihen W 111 und W 112, die Heckflossen, mit denen der Hersteller Mercedes-Benz, der normalerweise für ein eher konservatives Design stand, ungewöhnliche Zugeständnisse an die damals herrschende Mode aus den USA machte. Die gradlinige, elegante Karosserieform mit den seitlichen Sicken im Blech wurde vom damaligen MB-Chefdesigner Karl Wilfert und seinem Team entwickelt. Verglichen mit amerikanischen Fahrzeugen sind die Heckflossen beim W 110 allerdings klein. Der Hersteller nannte sie „Peilstege“, die das Einparken erleichtern sollten − sie markierten klar das Ende des Wagens. Die Karosserie zeichnete sich durch eine bis dahin nicht gekannte passive Sicherheit aus: Sie besaß als erste eine stabile Fahrgastzelle und wirksame Knautschzonen. Mercedes führte umfangreiche Crashtests durch, z. B. brachte man ein Fahrzeug mit 80 km/h über eine Rampe zum Überschlagen.

Die Dieselversionen 190 D und 200 D waren wegen ihrer Langlebigkeit und Zuverlässigkeit, verbunden mit dem Fahrkomfort, dem sehr großen Kofferraum und dem geringen Treibstoffverbrauch das meistgefahrene Taxi ihrer Zeit. Die Dieselmodelle wurden in wesentlich größerer Zahl produziert als die Benziner. Mit einem Leergewicht von knapp 1,4 Tonnen haben die Diesel mit 55 PS eine recht knappe Motorleistung; die Höchstgeschwindigkeit mit Automatikgetriebe betrug 127 km/h, die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h lag mit Schaltgetriebe bei 29 Sekunden – ein VW Käfer 1200 mit 34 PS braucht 33 Sekunden. Mercedes-Benz war seit der Produktionseinstellung des Borgward 1800 Diesel 1954 bis zum Erscheinen des Opel Rekord 2100 D 1972 alleiniger Hersteller von Diesel-Pkw in Deutschland.

190 und 190 D, 1961–1965

Mercedes-Benz 190 c / W110, Ausführung ab 1963 mit zusätzlichen Nebelscheinwerfern
Mercedes-Benz 190 „Kleine Heckflosse“

Im Juni 1961 begann die Produktion des 190 und des 190 D. Der W 110 teilte sich viele Karosserieteile mit dem damaligen Oberklassemodell W 111/W 112, das 1959 erschienen war, die Heckpartie war nahezu identisch mit der des 220 (b). Er unterschied sich äußerlich von seinen großen Brüdern durch einen um 14,5 cm kürzeren Vorderwagen, runden anstelle vertikaler Scheinwerfer („Lichteinheiten“), kleinere Rückleuchten, einfache Stoßstangen und weniger Chromzierrat. Nebelscheinwerfer gab es als Sonderausstattung unter den Hauptscheinwerfern. Die vorderen Blinker befanden sich zusammen mit den Parkleuchten oben an den vorderen Kotflügeln. Auf dem linken Kotflügel befand sich bis 1963 auch der Außenrückspiegel, danach wurde er an der Fahrertür hinter dem Ausstellfenster montiert, was das Einstellen vom Fahrersitz aus wesentlich erleichterte. Die Rückleuchten erhielten noch im Jahr 1961 eine andere Form, das oben bis zu Mitte überstehende Glasprofil wurde abgeflacht. Spitzname des Modells ist wegen der Heckflossen „Kleine Flosse“ (im Gegensatz zum W 111/W 112, der „Große Flosse“ genannt wird). Die Innenraum- und Kofferraumgrößen sind die gleichen, wie in der „Großen Flosse“. Alle Modelle hatten eine ungewöhnliche Instrumentenkonsole mit senkrecht verlaufender Tachometerskala. Je nach Geschwindigkeitsbereich wechselte die Farbe der Anzeige von gelb über rot/gelb bis rot. Dieser Farbwechsel wurde durch eine sich um ihre Achse drehende Walze erzeugt („Walzentachometer“). Der Tankeinfüllstutzen befand sich bei allen Modellen hinter der mit einem kleinen Griff versehenen, nach unten ausklappbaren Kennzeichen-Befestigungsplatte in der Heckmitte.

Kombiinstrument mit Walzentachometer eines 190 c Bj. 1964
Armaturenbrett eines 190 c Bj. 1964

Die Fahrzeuge wurden unter der Bezeichnung 190 und 190 D (Diesel) verkauft, zur Unterscheidung von den Ponton-Vorgängermodellen lautete die interne Bezeichnung 190c und 190 Dc. Als Motoren wurden Reihenvierzylinder eingebaut: beim 190c der M 121 mit 1,9 Litern Hubraum und 80 PS, Gemischaufbereitung durch einen Solex 34 PJCB Fallstromvergaser. Der 190 D erhielt den aus der Pontonserie stammenden, hier auf 2 Liter vergrößerten Dieselmotor OM 621 III mit Bosch 4-Stempel-Einspritzpumpe und 55 PS.

Das Fahrwerk besteht vorne aus einer Doppelquerlenkerachse mit Schraubenfedern, hinten aus einer Eingelenk-Pendelachse mit Schraubenfedern und Ausgleichsfeder in der Mitte. Hydraulische Bremsanlage mit Trommelbremsen vorne und hinten, auf Wunsch mit Bremskraftverstärker. Ab August 1963 wurde serienmäßig eine Zweikreis-Bremsanlage mit Bremskraftverstärker und Scheibenbremsen vorne eingebaut.

200 und 200 D, 1965–1968

Mercedes-Benz 200 / W 110
Mercedes-Benz 200 „Kleine Heckflosse“

Ab Juli 1965 hießen die Fahrzeuge 200 und 200 D. Der 200 D erhielt dabei einen überarbeiteten Motor (OM 621 VIII) mit fünffach statt bisher dreifach gelagerter Kurbelwelle, dadurch wurde der Motorlauf erheblich ruhiger. Auch der M 121 erhielt fünf Hauptlager und der Hubraum wuchs auf 2 Liter, die Leistung auf 95 PS. Die Gemischaufbereitung erfolgte nun durch zwei Solex 38 PDSJ Fallstromvergaser. Die 200er unterscheiden sich von ihren Vorgängern neben den anderen Motoren durch serienmäßige Zusatzleuchten unterhalb der Hauptscheinwerfer, die Nebelscheinwerfer, Parkleuchten und Blinker enthielten. Ferner gab es einen größeren 65-l-Tank (als Sonderausstattung auch 85 l), verchromte Entlüftungsöffnungen in den C-Säulen wie beim W 111/W 112 und zwei horizontale Chromstreifen am Heck − der Chromschmuck hinten an den Flossen entfiel, wodurch diese noch zierlicher wirkten (Heckflossen-Karosserien kamen zu dieser Zeit aus der Mode, ihr Zenit war gegen Ende der 1950er Jahre). Die Rückleuchten hatten beim 190 eine oben zur Heckmitte leicht abgeschrägte Form und rote Blinker. Beim 200 waren sie nun auch oben geradlinig, wurden dadurch etwas größer und hatten wegen der neuen StVZO gelbe Blinker.

230, 1965–1968

Neu dazu kam der 230 mit dem 2,3-Liter-Reihensechszylinder M 180 als stärkstes Modell der Baureihe W 110 – zunächst mit 105 PS und zwei Solex 38 PDSI-2 Fallstromvergasern, ab Juli 1966 mit 120 PS und zwei Zenith 35/40 INAT Fallstrom-Registervergasern. Die 120-PS-Maschine brachte den 230 mit Schaltgetriebe bis auf 175 km/h bei einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 13 Sekunden. Als erstes Mercedes-Serienfahrzeug erhielt der 230 einen separaten Kühlmittel-Ausgleichsbehälter hinten im Motorraum. Man machte aus der Not eine Tugend, denn der Platz im kürzeren Vorderwagen des W 110 war knapp für einen Reihensechszylinder und im Prinzip nicht dafür vorgesehen. Wegen des längeren Motorblocks musste der Kühler komplett in den Kühlerrahmen einrücken − ein Einfüllstutzen direkt am Kühler war somit nicht möglich. Äußerlich unterscheidet sich der 230 von seinen schwächeren Brüdern 200 und 200 D lediglich durch den Schriftzug „230“ auf der Kofferraumhaube. Im Innenraum waren an den hinteren Türen zusätzliche Haltegriffe angebracht, die Rücksitzbank hatte stets eine eingebaute, ausklappbare Armstütze. Der 230 ist sozusagen ein Zwitter aus dem Baukastensystem, eine Übergangsversion zwischen den kleinen Vierzylindern und den großen Sechszylindern – Mercedes-Benz hatte diese Rolle schon einmal (1956–1959) dem Modell 219 aus der Baureihe W 105 zugewiesen. Die Zahl der produzierten 230 beträgt 40.300.

Modellpflege, 1967

1967 wurden die W 110 letztmalig überarbeitet, eine neu entwickelte Sicherheitslenksäule erhöhte im Falle eines Unfalls die Überlebenschancen. Die neue Lenksäule schiebt sich beim Aufprall in sich zusammen. Für die neue Lenksäule wurde das Armaturenbrett im Bereich des Lenkschlosses leicht überarbeitet. Zusätzlich gab es ein neues Lenkrad mit verbessertem Pralltopf, neue Knöpfe für die verschiedenen Bedienelemente am Armaturenbrett und den Fensterkurbeln sowie neue Innentürgriffe und neu gestaltete Außenspiegel.

Im Februar 1968 wurde die Produktion der Baureihe W 110 nach knapp sieben Jahren eingestellt. Nachfolger war der ab Herbst 1967 produzierte, sehr erfolgreiche W 115 „Strich-Acht“.

Der W 110 ist heute ein begehrter Oldtimer.

Karosserievarianten

  • Limousine 4-türig
  • Limousine 4-türig als 7-sitzige Langversion (Binz-Umbau)
  • Kombi 5-türig, genannt „Universal“ (gebaut bei IMA in Belgien)

Kombis

Im offiziellen Verkaufsprogramm gab es 1966 und 1967 den Kombiwagen „Universal“, vorausgegangen war 1965 die Fertigung auch des 190er als Kombi in geringer Zahl.

Die Fahrzeuge, die ab Anfang 1965 in Lizenz der Daimler-Benz bei I.M.A. in Mechelen (Belgien) unter dem Namen „Universal“ nach Mercedes-Qualitätsspezifikationen gefertigt wurden, waren zunächst ausschließlich Kombis. Es wurden drei „kleine“ Modelle angeboten: 200, 200 D, 230 und als "großer" W 111 der 230 S. Insgesamt wurden 2754 IMA-Universal-Heckflossenkombis produziert. In geringer Zahl wurden bei IMA auch Heckflossen-Limousinen hergestellt. Später liefen bei IMA auch einige Limousinen des Nachfolgetyps W115 vom Band. Das Unternehmen ging 1968 in Konkurs.

Krankenwagenproduktion bei Miesen

IMA-Kombis gelten wegen der Kooperationsvereinbarungen mit Daimler-Benz als die einzigen „offiziellen“ Kombis der Heckflossen-Modelle; andere Kombis gelten als Umbauten. Bei Restaurierungen zeigt sich, dass der Korrosionsschutz bei I.M.A. nicht ganz auf Sindelfinger Niveau war: IMA-Kombis sind, ausweislich der Berichte und Kaufberatungen des Oldtimer-Vereins V.D.H., statistisch signifikant schlechter im Zustand als Limousinen und zeigen, fertigungs- und einsatzbedingt, fast immer einen hohen Restaurierungsbedarf vor allem an der Heckpartie mit den Kombi-spezifischen Sonderteilen.

Neben Limousinen, gab es von den W 110 auch Sonderaufbauten als Krankenwagen/Ambulanz, Leichenwagen und Kombiwagen. Meist wurden diese als teilgefertigte Karosserien ohne Dach, Heckscheibe und Kofferklappe vom Werk Sindelfingen an diverse Karosseriefirmen ausgeliefert. Binz und Miesen fertigten Ambulanzen, aber auch Leichenwagen, Lieferwagen und Kombis.

Pollmann, Rappold, Welsch, Stolle, Pilato und andere Unternehmen fertigten in erster Linie Bestattungsfahrzeuge. In sehr geringer Zahl wurden neben kommerziellen Nutzfahrzeugen auch Kombis von den Unternehmen Jauernig (Österreich), Marbach (Schweiz), Movauto (Portugal) und Hägele auf Auftrag gefertigt.

Motoren

Motor M121 190 c Bj. 1964

Ottomotoren:

  • 1,9-Liter-Vierzylinder (M 121) 80 PS (190 c, 1961–1965)
  • 2,0-Liter-Vierzylinder (M 121 ) 95 PS (200, 1965–1968)
  • 2,3-Liter-Sechszylinder (M 180) 105 PS (230, 1965–1966)
  • 2,3-Liter-Sechszylinder (M 180) 120 PS (230, 1966–1968)

Dieselmotoren:

  • 2,0-Liter-Vierzylinder (OM 621) 55 PS (190 Dc, 1961–1965)
  • 2,0-Liter-Vierzylinder (OM 621) 55 PS (200 D, 1965–1968)

Getriebe

Voll- und sperrsynchronisiertes Viergang-Schaltgetriebe − serienmäßig mit Lenkradschaltung, auf Wunsch mit Mittelschaltung. Alle Modelle waren optional mit einem Viergang-Automatikgetriebe lieferbar (eine Viergang-Automatik war zu dieser Zeit revolutionär – die meisten Getriebe-Automaten in Fahrzeugen anderer Hersteller hatten höchstens drei Gänge). Der erste Gang war über den Wählhebel nicht schaltbar. Erst beim vollen Durchtreten des Gaspedals (Kick-down) schaltete die Automatik bei Bedarf zum Erreichen einer maximalen Beschleunigung in die erste Fahrstufe herunter.

Produktionszahlen

Modell Stück
190 c 130.554
190 Dc 225.645
200 70.207
200 D 161.618
230 40.258

Sonstiges

Mercedes W 110 Bj. 1964 190 c Vordere Sitzreihe mit Sitzkissen und Armlehne

Der 72-jährige, selbstständige Berliner Taxifahrer Ralf Werner fährt immer noch seine Kunden mit einem W 110 in hellelfenbein, Modell 190 Dc, Baujahr 1964 – dem ältesten Taxi von Berlin. Im Zuge der neuen Feinstaubverordnung in der Umweltzone ab Januar 2008 wurde ihm der Betrieb des Fahrzeugs in weiterer Zukunft als Taxi untersagt und ihm auch das H-Kennzeichen für historische Fahrzeuge aufgrund der gewerblichen Nutzung wieder aberkannt. Werner wollte versuchen, eine Ausnahmegenehmigung für seinen bei den Fahrgästen sehr beliebten Oldtimer zu bekommen, notfalls über gerichtliche Schritte. Inzwischen ist ihm das H-Kennzeichen wieder zuerkannt worden, so dass er wieder einen normalen Fahrbetrieb aufnehmen konnte. Sein Taxi erregt nach wie vor Interesse bei Fahrgästen und Medien.[1]

Durch ein einlegbares Sitzkissen zwischen Fahrer- und Beifahrersitz bestand die Möglichkeit eines dritten Sitzplatzes in der vorderen Sitzreihe. Die Armlehne fungierte hochgeklappt als Rückenlehne für den mittleren Sitz.

Bildergalerie

Weblinks

 Commons: Mercedes-Benz W 110 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Focus Online vom 10. Januar 2010, abgerufen am 20. März 2010.

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